Ein Museum im Aufbruch

Eine neue Dauerausstellung für das Aktive Museum

Dauerausstellung

Zurzeit entsteht eine neue Dauerausstellung im Aktiven Museum Südwestfalen. Der zukünftige Lern- und Dokumentationsort wird dabei die Gesellschafts- und Erfahrungsgeschichte des Nationalsozialismus im Kreis Siegen-Wittgenstein und das Themenfeld „Mitmachen und Widerstehen in der Diktatur“ stärker in den Blick nehmen. Die neue Ausstellung wird von Menschen erzählen, die sich widersetzten, die diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern, die diese Verfolgung mittrugen, möglich machten, und das Regime in unterschiedlicher Weise unterstützten. Dazu arbeitet der Verein die Regionalgeschichte zur NS-Zeit auf. Die Forschungsergebnisse werden eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts und auf innovative Weise dargestellt werden. Im Vordergrund steht dabei nicht der Konsum von Daten und Fakten, sondern die aktive Aneignung historischer Zusammenhänge und Fragestellungen.

Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit, eröffnen sich in der Ausstellung, aber auch in vielfältigen Führungsangeboten und Workshops stets Anknüpfungspunkte für Diskussionen über aktuelle, gesellschaftliche Fragen.

Weitere Inhalte des Museums finden Sie bereits jetzt in unserem Digitalen Museum.

Das Gebäude

Das Aktive Museum Südwestfalen in Siegen befindet sich in einem 1940 erbauten Luftschutzbunker, der auf den Grundmauern der am 10. November 1938 mutwillig niedergebrannten Synagoge, errichtet wurde. Sie war am 22. Juli 1904 eingeweiht worden und diente den Jüdinnen und Juden im Siegerland bis zu ihrer Zerstörung über drei Jahrzehnte als Ort der Zusammenkunft und des Gottesdienstes.

Das Aktive Museum Südwestfalen ist sich dieser Dichotomie des Gebäudes bewusst. Sie findet sich auch im Logo des Museums wieder, das beide Gebäudephasen aufgreift.

Die Synagoge

Im Jahr 1891 kaufte Meyer Leser Stern, der Gründer und erste Vorsitzende der Siegener Synagogengemeinde, ein Grundstück auf dem Obergraben und nahm zeitgleich für die Gemeinde eine Anleihe in Höhe von 3.500 Mark auf, die der Vorbereitung eines Synagogenbaus dienen sollten. Es dauerte aber noch zwölf Jahre, bis man mit der Verwirklichung dieses Planes beginnen konnte. Am 23. Juli 1903 erfolgte die Grundsteinlegung.

Lehrer Simon Grünewald, der geistliche Vorsteher der Gemeinde, mauerte nach seiner Ansprache eine Urkunde ein, die einen kurzen Überblick über die Geschichte der Stadt Siegen und vor allem ihrer jüdischen Gemeinde gab.

Die Entwürfe und Zeichnungen für das Gotteshaus stammten von dem Berliner königlichen Bauinspektor Fürstenau. Die örtliche Bauleitung lag in den Händen des Siegener Architekten Hermann Giesler (18651941).

1865–1941)

1865–1941)
1865–1941)

1865–1941)

1865–1941)

Am 22. Juli 1904 wurde die Siegener Synagoge feierlich eingeweiht, doch weder der Bürgermeister noch städtische Vertreter von protestantischer oder katholischer Seite nahmen an dem Festakt teil.

Die Festpredigten hielten der Bielefelder Rabbiner Dr. Coblenz, der mit dem überlieferten Weihegebet schloss, und Lehrer Simon Grünewald, der über die Toratexte sprach, die in hebräischer Schrift die Wände der Synagoge zierten. Er schloss wie ein Bericht der Siegener Zeitung sagte, mit einem Gebet für Kaiser und Reich.

In demselben Bericht wird die Synagoge wie folgt beschrieben: 

„An der Straße erhebt sich eine Futtermauer, an der die Treppe zu dem Gebäude selbst emporführt. Zwei hübsch mit Eisenwerk verzierte Türen lassen in das Innere ein, einen luftigen, geräumigen Kuppelbau, dessen Wände eine vornehme, dem Gotteshaus angepaßte Malerei tragen. Gegenüber dem Eingang befindet sich die einfache Kanzel mit Betpult, dahinter durch einen mit reicher Goldstickerei versehenen rotsamtenen Teppich verborgen, das Allerheiligste [der Schrein mit den Torarollen]. Ein prächtiger Kronleuchter und zwei kleinere Leuchter rechts und links von dem Betpult spenden bei Dunkelheit in reicher Fülle das elektische Licht. Am Eingang führen zwei Treppen zu geräumigen Galerien empor; hinter der Kanzel erhebt sich das gleichfalls eine durch zierliches Messinggitterwerk verdeckte Galerie, auf der auch das Harmonium, das eintweilen die Stelle der Orgel vertritt, Platz gefunden hat. Die ganze innere Ausstattung ist einfach und doch gediegen und wirkt recht stimmungsvoll. In dem Gebäude wird fortan in einem besonderen Raum auch die jüdische Schule untergebracht werden. So ist das neue Gotteshaus ein beredtes Zeugnis für die Opferwilligkeit der jüdischen Gemeinde, andrerseits aber auch eine Zierde für den Obergraben und seine Umgebung.“

Bis zur Zerstörung der Synagoge durch Männer der Siegener SS und SA in der Mittagsstunde des 10. November 1938 feierte der Lehrer und Kantor Simon Grünewald (1870-1939) hier die Gottesdienste mit den Gemeindeangehörigen. An das Gotteshaus grenzte ein Raum der jüdischen Volksschule, der auch für Vortragszwecke genutzt wurde.

[Fotohinweise: 1) Richtfest der Synagoge, 1903, Gallas, Siegen; 2) Das Ehepaar Johanna und Simon Grünewald, Sammlung Klaus Dietermann; 3) Die Siegener Synagoge auf einer Postkarte; 4) Das Innere der Siegener Synagoge, Heinrich Schmeck, Bildrechte: Berlinische Galerie; 5) Die brennende Synagoge am 10. November 1938, Erich Koch, Bildrechte: Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein e.V.]

Der Bunker

Die systematische Entrechtung und Verdrängung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland seit 1933 führte im November 1938 zur Reichspogromnacht, in der im gesamten Land Synagogen brannten, Geschäfte geplündert und Menschen misshandelt und ermordet wurden.

Am 9.November wurden auch die jüdischen Männer in Siegen und der Umgebung verhaftet, die Synagoge wurde aber an diesem Tag noch nicht zerrstört. In den Mittagsstunden des 10.November 1938 wurde die 1904 eingeweihte Siegener Synagoge durch geplante Brandstiftung der SS niedergebrannt. Die anwesende Feuerwehr verhinderte den Brand nicht, sie schützte lediglich die Nachbargebäude vor einem übergreifen des Feuers, die zahlreich anwesende Bevölkerung schaute zu. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder.

Mit ihr verschwand der weithin sichtbare Mittelpunkt jüdischen Lebens aus dem Stadtbild Siegens.

Bereits im Dezember 1938 begannen Verhandlungen um den Ankauf des Grundstückes am Obergraben durch die Stadt Siegen, vertreten durch den Oberbügermeister Alfred Fissmer, mit der jüdischen Gemeinde. Die jüdische Gemeinde, vertreten durch den Kaufmann Eduard Hermman und den Makler Karl Capito, war bei diesen Verhandlungen kein gleichberechtigter Partner sondern, durch die antijüdische Gesetzgebung der vorrangegangenen Jahre, in einer reinen Statistenrolle. Der Abschluss des Verkaufs erfolgte im Juli 1940. Die Stadt Siegen überführte das Grundstück durch Arisierung in ihren Besitz.

Durch den Beginn des 2. Weltkrieges wurde der Luftschutz auch in Siegen immer wichtiger, zumal die Stadt in die Luftschutzkategorie 1 eingeordnet war. Durch ein reichsweites „Führer-Sofort-Programm“ im Oktober 1940 erhielt Siegen die finanziellen Mittel zum Bau von Hochbunkeranlagen. Der Bunker am Obergraben, in unmittelbarer nähe zum Stadtkrankenhaus, wurde 1941 auf den Fundamenten der zerstörten Synagoge erreichtet und bot 471 Personen Platz.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurden Teile des Bunkers durch das Krankenhaus genutzt z. B. zur Lagerung von Akten. Nichts erinnerte an die zerrstörte Synagoge. Erst 1961 wurde im Rahmen einer Gedenkstunde zum 9. November eine Gedenktafel enthüllt, die an die Synagoge erinnert. Im November 1978 wurde an das Eingangstor zum Bunker eine schmiedeeiserne Menorah und im Eingangsbereich ein vergrößertes Foto der Synagoge angebracht, so das ein kleiner Erinnerungs-und Gedenkbereich entstand.

Am 10.November 1996, genau 58 Jahre nach der Zerstörung der Siegener Synagoge wurde in diesem Hochbunker das Aktive Museum Südwestfalen eröffnet.

Quellen und weiterführende Literatur:

Dietermann, Klaus: Siegen – eine Stadt unterm Hakenkreuz, Siegen 1988.

Dietermann, Klaus: Die Siegener Synagoge, Vom Bau und der Zerstörung eines Gotteshauses, 2. Auflage, Siegen 1996.

Dietermann, Klaus: Synagoge – Luftschutzbunker – Museum, Aktives Museum Südwestfalen: ein Dokumentations- und Lernort für regionale Zeitgeschichte in Siegen, Siegener Beiträge 2, 1997, 160-166.

Pfau, Dieter (Hg.): Kriegsende 1945 in Siegen, Dokumentation der Ausstellung, Bielefeld 2005.

Schäfer, David: Obergraben 10: Synagoge – Bunker – Aktives Museum Südwestfalen.

Schilde, Kurt: „Ankauf von Synagogengemeinde Siegen“: üblicher Liegenschaftsvorgang oder „Arisierung“?, Siegener Beiträge 8, 2003, 217-228.