Führungen durch die Ober- und auch die Unterstadt gehören seit vielen Jahren zum Angebot des Aktiven Museums Südwestfalen. Dabei wird deutlich: Es ist nichts geblieben von den Geschäften jüdischer Eigentümer, die zahlreich um den Marktplatz in der Marburger-, der Kölner Straße, der Sandstraße bis zum Siegener Bahnhof existierten. Ihre „hohe Zeit“ erlebten sie in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Es waren Schuh-, Wäsche-, Haushaltswaren- und Konfektionsgeschäfte für Damen- und Herrenbekleidung. „Manufakturwaren“ hieß seinerzeit noch der gängige Sammelbegriff. Besonders in der „Siegener Zeitung“ fand man damals umfangreiche, häufig ganzseitige Anzeigenwerbung der jüdischen Geschäftsinhaber. Daneben sind zum Teil Kassenzettel, Briefbögen, Werbeteller oder auch Kleiderbügel mit Firmenaufdruck erhalten, die auch im Aktiven Museum ausgestellt werden.
Im Oktober 2011 fand die 83-jährige Birlenbacherin Magdalene Otto einen Kleiderbügel, den sie zunächst von der gehäkelten Umhüllung befreite. Darunter kam der Aufdruck „Kaufhaus zur billigen Quelle – L. Reches, Marburgertor 4 & 24“ zum Vorschein. Frau Otto übergab den Kleiderbügel daraufhin an das Aktive Museum Südwestfalen.
Laser Reches und seine Frau Lisa stammten aus der Gegend von Lemberg und waren 1910 nach Siegen gezogen. Ihre beiden Kinder Ida (*1912) und Julius (*1921) wurden hier geboren. Neben einem kleinen Schuhladen am Marburger Tor 24, betrieb das Ehepaar ein „Partiewaren-Geschäft“ (Rest- und Sonderposten, heute ein Second-Hand-Laden) ein paar Häuser weiter, am Marburger Tor 4. Die Geschäfte gingen mehr schlecht als recht. Die Kinder Ida und Julius konnten nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung im März bzw. September 1937 nach Palästina ausreisen. Ida Reches lebte bis zu ihrem Tod 1991 im Kibbuz Ginossar am See Genezareth. Mit ihrer 1940 geborenen Tochter besuchte sie in den 1960er und 1970er Jahren mehrfach ihre Geburststadt. Auch Julius Reches ist längst verstorben.
Laser und Lisa Reches konnten aus Altersgründen nicht mehr fliehen. Sie wurden am 28. April 1942 nach Zamosc in Südpolen deportiert und ermordet.