Das Thema Nationalsozialismus hat Klaus Dietermann seit der Lehramts-Studienzeit nicht mehr losgelassen. Die Hausarbeit von 1973 trug den Titel „Untersuchungen zur Geschichte der Juden des Siegerlandes unter dem Nationalsozialismus“. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Schicksal der Opfer, die er vor dem Vergessen bewahren wollte. Er setzte da an, wo Pfarrer Walter Thiemann in Zusammenarbeit mit weiteren Zeitzeugen 1968 mit der Broschüre „Von den Juden im Siegerland“ begonnen hatte. Bis Mitte des Jahres 2017 forschte Klaus Dietermann im Siegener Stadtarchiv, das er nach seinem Umzug in die Oberstadt ständig besuchte. Zuletzt fotografierte er die Sterbeurkunden der durch Hunger und Krankheit zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter. Er hatte noch so viel vor, wie er mir im Telefongespräch kurz vor seinem Tod sagte. Klaus Dietermann starb am 14. August 2017. Als langjährige Wegbegleiterin weiß ich, wie intensiv er sich mit den Berichten der Zeitzeugen befasste und sie niederschrieb. Ich denke da an Käthe Stern, Hugo Herrmann, Batia Holz (Betty Hochmann), Gary (Günter) Wolff, Hans-Günter Goslar, die Nachkommen der Familien Holländer und Schäfer aus Hilchenbach, Wilhelm Krämer (Bruder von Walter Krämer) und nicht zuletzt auch an meine Eltern Ruth und Wilhelm Fries, die mit der Familie von Samuel Frank von 1933 bis 1941 in Weidenau unter einem Dach lebten.
Seit Anfang der 1970er Jahre arbeitete Klaus Dietermann in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V. mit, davon seit 1976 für lange Jahre als Geschäftsführer. Manfred Zabel, sein Begleiter von Beginn an, wies in der Traueransprache darauf hin, wie sehr die Mitarbeit Dietermanns im Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) geschätzt wurde. Er hatte Anteil an der 1983 verliehenen Theodor-Heuss-Medaille der Stiftung Theodor-Heuss-Preis. 1983 führte Klaus Dietermann die „Alternative Stadtrundfahrt Siegen, eine Stadt unter dem Hakenkreuz“ ein und leitete rund 200 Fahrten. Er lud zu Besichtigungen der jüdischen Friedhöfe im Kreis Siegen-Wittgenstein und besonders zum Hermelsbacher Friedhof mit den Gräbern der verschiedenen Opfergruppen ein. Am 7. Mai 2017 fand sein letzter Rundgang unter dem Motto „Steine sprechen“ statt. Gern nahmen Interessierte an seinen sonntäglichen Spaziergängen entlang der Stolpersteine und der Standorte der ehemaligen Geschäfte jüdischer Eigentümer in Siegen teil.
Dietermanns Engagement fand Ausdruck in zahlreichen Publikationen, die er gern im Format des DIN A4-Schulheftes drucken ließ, und in vielen Aufsätzen. Sein besonderer Einsatz galt dem Aktiven Museum Südwestfalen, dem Dokumentations- und Lernort für regionale Zeitgeschichte am Platz der Synagoge Siegen, Obergraben 10. Mit der improvisierten Ausstellung zum Pogromgedenktag im November 1991 in drei Bunkerzellen begann ein mehrjähriger Kampf um die Einrichtung der Gedenkstätte. 1996 wurde das Museum mit 60 m2 Ausstellungsfläche eröffnet. Wurde dabei zunächst an die jüdischen Opfer erinnert, konnte nach der Erweiterung im Jahr 2001 auf der Fläche der unteren Bunkeretage auch der anderen Opfer des Naziterrors gedacht werden. Die öffentliche Hand, Land NRW, Kreis und Stadt, trugen jeweils die Kosten für den Umbau der Bunkeretage. Seit Ende 2006 setzte sich Dietermann dafür ein, das Angebot von Landrat Paul Breuer auf Erweiterung des Museums um eine Etage zu verwirklichen. Die Umsetzung verzögert sich leider, dabei ist die Finanzierung gesichert. Die Umbauarbeiten werden im Jahr 2018 durchgeführt. Klaus Dietermann hätte sich gern an der Neukonzeption der mittlerweile über 20 Jahre alten Ausstellung beteiligt. Er hatte sie seinerzeit gemeinsam mit dem Leiter des Siegerlandmuseums, Dr. Jürgen Schawacht, erstellt. Das Vorstandsteam des AMS wird sich bemühen, die Umsetzung in seinem Sinne zu realisieren. Ein weiteres Anliegen war ihm, dass die bisherige ausschließliche ehrenamtliche Arbeit durch eine hauptamtliche wissenschaftliche Fachkraft ergänzt würde.
Klaus Dietermann hat für sein jahrzehntelanges Engagement, er gehörte dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW e. V. seit der Gründung 1995 an, bis auf die Verleihung des „Obermayer German Jewish History Award“ im Jahr 2009 jegliche öffentliche Ehrung abgelehnt. Er sah es als seine Pflicht an, wiedergutzumachen, was die Generationen zuvor an Unrecht getan haben. Dazu gehörte die vorbildliche Pflege der Beziehungen zu den Nachkommen der Holocaustopfer. Das war zuletzt der Besuch der Nachkommen von Mathilde und Siegmund Hochmann im Frühjahr 2017. Klaus Dietermann hat mit seiner Arbeit Marksteine gesetzt.
(Traute Fries)