Inge Frank wurde als jüngstes Kind der Eheleute Paula geb. Bär und Samuel Frank am 23. Januar 1922, dem 6. Geburtstag ihres Bruders Manfred, in Weidenau/Sieg geboren. Schwester Ruth kam am 28. Dezember 1912 zur Welt. Samuel Frank betrieb ein über Weidenau hinaus angesehenes Manufaktur- und Konfektionswarengeschäft.
Zur Einschulung erhielt Inge Frank 1928 von ihren Eltern ein Schreibpult. Der dunkel gebeizte Holzschreibtisch hatte eine aufklappbare Arbeitsplatte, unter der die Schülerin Hefte und Bücher aufbewahren konnte. Oberhalb befand sich eine schmale Ablage für Tintenfass und Schreibutensilien. Nach Abschluss der Grundschule besuchte Inge – wie zuvor ihre Schwester Ruth – das neusprachliche Mädchengymnasium (Lyzeum) in Siegen, das sie im November 1938 verlassen musste. Ruth Frank war seit 1934 mit Herbert Frankenstein aus Solingen verheiratet. Das junge Ehepaar floh im Juli 1938 nach Amerika und nahm später den Namen Frank an.
Nach dem Novemberpogrom wurde das Geschäft von Samuel Frank zwangsweise „arisiert“. Inge absolvierte von Februar 1939 bis Ende Juli 1940 im Israelitischen Kinderheim in Köln, Lützowstraße, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Eine deutsche Schule durfte sie nicht mehr besuchen. Ihr Bruder Manfred verließ im Mai 1939 Deutschland auf dem Schiff „St. Louis“ und wurde im Juli von England aufgenommen.
Als Inge Frank 20 Jahre alt war, wurde sie zusammen mit ihren Eltern Paula und Samuel mit weiteren 44 Siegerländer Jüdinnen und Juden am 28. April 1942 über Dortmund nach Zamosc in Polen deportiert wurden. Am Abend vor der Deportation verlobte sich Inge mit ihrem Freund Heinz Lennhoff (21) aus Plettenberg, der mit den Eltern nach der erzwungenen Abgabe der Metzgerei zu Verwandten nach Netphen gezogen war. Mehrfach erreichten Nachrichten aus Zamosc das Siegerland. Das letzte Lebenszeichen von Inge stammte vom 18. Januar 1943. Von den rund 800 Deportierten aus dem Regierungsbezirk Arnsberg nach Zamosc hat niemand überlebt. Heinz Lennhoff und seine Eltern wurden am 28. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert.
Wie kam das Objekt in das Aktive Museum Südwestfalen?
Als Inge Frank nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr an dem Schreibpult lernen durfte, schenkte sie es dem jungen Mitbewohner Klaus Fries. Ihm und seinen fünf Geschwistern, die ihre Schularbeiten daran machten, war die Geschichte der Familie Frank immer bewusst. Heute erinnert dieses Objekt gerade Schülerinnen und Schüler anschaulich an das Leben der jungen Inge.