Veranstaltungsbericht zum Vortrag und Interview „Die Akte Wilhelm Klein 1887-1948. Abenteurer. SS-Arzt. Großvater“ mit Dr. Christoph Sigrist
4. Februar 2025

2025 jährt sich die Befreiung von Auschwitz bereits zum achtzigsten Male.

So wie die Zeit, ist auch Erinnerung vergänglich.

Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum historischen Geschehen sterben nach und nach die Zeitzeugen, die ihre Erlebnisse oft unausgesprochen mit ins Grab nehmen. Dabei sind es insbesondere ihre Erfahrungen und wie sie diese reflektieren, die uns helfen können, Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu ziehen. Denn auch, wenn sich Geschichte nicht wiederholt, so können (und sollten) wir doch aus ihr lernen.

Im Rahmen unserer aktuellen Sonderausstellung zu den NS-Krankenmorden beleuchten wir daher auch die Rolle der Täter:

Wie wird ein Mensch zum Täter?

Dieser Frage ist Dr. Christoph Sigrist nachgegangen, als er 2018 in den Hinterlassenschaften seiner verstorbenen Mutter Briefe des Großvaters aus Jerusalem entdeckte.

Weitere Recherchen führten zu einer Biografie des Großvaters, die Sigrist 2022 unter dem Titel

„Die Akte Wilhelm Klein 1887 – 1948. Abenteurer. SS-Arzt. Großvater“ publiziert.

 Diese Studie über Aufstieg und Fall eines hohen SS-Funktionärs stellt den Werdegang Kleins in einen historischen Zusammenhang mit dem Erstarken der NSDAP, deren überzeugtes Mitglied dieser bald wird: Ambition und Kompromissbereitschaft führen ihn im neuen Staat zu „Glanzmomenten“ seiner Karriere.

  • Nach der „Machtergreifung“ Hitlers steigt Klein zum Stadtmedizinalrat von Berlin (1933-36) auf, leistet gehorsam den Nürnberger Gesetzen Folge, indem er hunderte jüdische Ärzte entlässt, und verstrickt sich dann in Intrigen mit der NSDAP und SS. Im Anschluss versetzt man ihn in  die „Provinz“- nach Siegen -, wo er als Leiter des staatlichen Gesundheitsamtes (1937-45) eingesetzt wird.

Die zahlreich erschienenen Zuschauer hatten im Anschluss Gelegenheit, Sigrist weitere Fragen zum Leben und Wirken Dr. Kleins zu stellen: wie die Familie auf das Vorhaben des Enkels reagiert hätte, die belastete Vergangenheit des Großvaters zu erforschen und publik zu machen, interessierte eine Anwesende.

Über den SS-Sturmbannführer Dr. med. Wilhelm Klein wurde in der Familie über viele Jahre beharrlich geschwiegen, entgegnet der Redner, der von Haus aus eigentlich Ökonom ist. Jeglicher Versuch, mehr über dessen Geschichte herauszufinden, sei schon am Versuch gescheitert.

So habe er es geradezu als eine Art „Zeichen“ empfunden, dass ihm der Nachlass letztlich in die Hände gefallen sei. Offenbar hatte seine Mutter die Briefe bewusst aufbewahrt, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, doch noch Antworten auf seine Fragen zu erhalten.